Das Glaskugelproblem von Schufa und Co.

Bereits Anfang des Jahres hat der BGH in Karlsruhe entschieden, dass die Schufa ihre Berechnungsformel für den sogenannten Credit Score nicht offenlegen muss. Darauf und auf die damit zusammenhängende Problematik sind wir bereits in unserem Artikel „Warum die BGH-Entscheidung bezglich der Schufa-Berechnungen eine Frechheit ist“ (http://blog.smallcapservice.de/28/01/2014/warum-die-bgh-entscheidung-bezueglich-der-schufa-berechnungen-eine-frechheit-ist/) eingegangen.

Das Gericht räumt der Schufa und auch anderen Auskunfteien das Recht ein, dass die Berechnungsformeln für den durchaus relevanten Credit Score und andere wirtschaftskenzahlenähnliche Scores nicht offengelegt werden müssen. Das ist prinzipiell zunächst nicht tragisch. Allerdings gibt es, insbesondere für die Banken, die Kredite vergeben und vom Gesetzgeber zur Prüfung der Bonität verpflichtet sind, ein massives Problem: Da die Auskunfteien ihre Berechnungsformeln nicht offenlegen, kann niemand nachvollziehen, wie der Score-wert zustande kommt.

Die Auskunfteien geben an, dass zur Berechnung ihrer diversen Scores mathematische Verfahren angewendet werden, die wissenschaftlich anerkannt seien. Diese Behauptung ist zunächst mal nichts anderes als eine Behauptung und „wissenschaftlich formal“ nicht haltbar. Oder drastischer ausgedrückt: Die Behauptung, dass die Credit Scores auf wissenschaftlich gesicherten Verfahren basieren müsste man als falsch bezeichnen!

Was bedeutet wissenschaftlich gesichert? Diese Frage vollumfassend zu beantworten ist nicht einfach. Daher soll hier auf eine Mindestanforderung verwiesen werden, die in der Wissenschaft bei wissenschaftlichen Ergebnissen erfüllt sein muss: die Veröffentlichung der Ergebnisse in international anerkannten und der wissenschaftlichen Qualitätssicherung unterliegenden Fachzeitschriften. Wissenschaftliche Qualitätssicherung bedeutet, dass die Artikel vor der Veröffentlichung anonym mehreren anerkannten Wissenschaftlern zur Überprüfung überlassen werden. Diese Wissenschaftler prüfen formale und inhaltliche Sachverhalte, insbesondere den Wissensstand und die Richtigkeit gemachter Angaben. In manchen Fällen werden die Ergebnisse vor dem beschriebenen Verfahren einer öffentlichen Diskussion in Fachforen gestellt.

Für die „Wissenschaftlichkeit“ der Verfahren von Schufa und Co. bedeutet das, die Unternehmen mindestens die Fachartikel offenlegen müssten, auf denen die Verfahren basieren, um Behauptungen über die wissenschaftliche Basis der Scores hinauszuposaunen. Solange diese Fachartikel nicht offenliegen, können auch die Banken nicht prüfen, ob die von den Auskunfteien zur Verfügung gestellten Scores überhaupt für die Bonitätsprüfung geeignet sind. Im Sinne des Gesetzgebers (vgl. § 18 KWG) bedeutet das, dass das Geschäftsmodell eigentlich gar nicht zu dem Zweck verwendet werden dürfte, aus dessen Grund es überhaupt existiert.

Noch viel drastischer: Die Score-Werte, die die Auskunfteien berechnen müssen von ALLEN als Kennzahlen gesehen werden, die mit gewürfelten, in der Glaskugel erspähten oder im Kaffeesatz gelesenen Kennzahlen auf eine Stufe zu stellen sind.

In der Fernsehsendung (Zoom) vom 23.07.2014 des ZDF (http://www.zdf.de/zdfzoom/httpzoom.zdf.dezdfzoomzdfzoom-5991578.html-34159242.html) vergleicht ein Sprecher der Schufa das verwendete Berechnungsverfahren mit dem Vorgehen von Meteorologen. Diese Behauptung ist vermutlich allerdings als völliger Blödsinn! Denn zunächst mal werden Wetterdaten mittels Verfahren berechnet, die sowohl numerischer als auch statistischer Natur sind. Des Weiteren liegen die Differentialgleichungen der Strömungslehre, der Thermodynamik sowie die statistischen Verfahren (z.B. Kringing-Interpolation oder das russische Pendant dazu) allen interessierten Menschen in diversen Bibliotheken und dem Internet zur Einsicht zur Verfügung. Das Know-how liegt dabei in der numerischen Umsetzung und Verkopplung der Gleichungen, also letztlich in der Konditionierung der Eingangsdaten und im Lösungsalgorithmus.

Dieses Know-how der Datenhandhabung, Konditionierung und der Lösungsalgorithmus stehen bei der Forderung nach Offenlegung der Verfahren der Schufa gar nicht zur Diskussion. Zur Diskussion steht lediglich die Offenlegung der Verfahren, die ja angeblich ohnehin wissenschaftlich gesichert und damit veröffentlicht sind.

Abschließend muss man der Schufa noch mit auf den Weg geben, dass sowohl die Geheimhaltung der angewandten Verfahren als auch der Vergleich ihrer Scorings mit Wettervorhersagen dämlich sind. Die Art der Geheimhaltung negiert streng genommen die Existenzberechtigung der Schufa und jeder, der die Prognosesicherheit von Wettervorhersagen kennt, weiß, wie gut man sich darauf verlassen kann. Insbesondere lokal sind diese Prognosen oft nicht aussagekräftig. Das Creditscoring ist allerdings eine ausschließlich lokale Aufgabe.

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