Gemeinschaftliche Kapitalanlagen

Kapitalanlagen waren früher mehr oder weniger eine vertraute Angelegenheit zwischen einem Anleger und seinem Finanzberater. Mit dem Aufkommen der Internetforen, wurden Investitionschancen zunehmen online diskutiert. Diese werden auch heute noch genutzt. Ein weiterer Entwicklungsschritt waren Empfehlungsplattformen, auf denen praktisch jeder Anlagetipps geben konnte, wobei sich diese im Wesentlichen auf Aktien beschränkten. Diese Plattformen wurden zunehmend moderner, erweiterten ihre Funktionsumfänge und entsprechen heute weitgehend dem, was man unter sozialen Netzwerken versteht. Damit wurden auch die unterschiedlichen Kapitalanlagen von der vertrauten Angelegenheit zum mehr oder weniger öffentlichen Thema. Die breite Diskussion über einzelne Kapitalanlagen, die Nutzerbewertung von Empfehlungen sowie die Möglichkeit, Tippgebern und ihren Empfehlungen zu folgen, ermöglichten es aber auch, dass weniger erfahrene Anleger vom Wissen erfolgreicher Anleger profitierten. Natürlich hat das nicht nur Vorteile, sondern birgt auch gewisse Gefahren. Das Nutzen heutiger Plattformen dieser Art, die Nutzern zum Teil auch das automatische Handeln nach den Empfehlungen anderer, ausgewählter Nutzer ermöglichen, wird auch Social Trading genannt. Dabei wird zwar in gewissen Grenzen das Wissen einer Gemeinschaft genutzt, die Handlungen erfolgen aber immer individuell, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko.

Eine schon gemeinschaftlichere Handlung ist das Investieren über ein Crowdfunding-Modell (Crowdinvesting). Dabei finanzieren viele mit vielen kleineren Beträgen einen großen Beitrag, um z.B. ein Startup, ein Immobilienprojekt oder die Entwicklung von Technologien zu ermöglichen. Zwar wird hier von einer Gemeinschaft die Realisation eines Vorhabens ermöglicht, in dieser investiert jedoch auch wieder jeder für sich selbst. Das Kapital fließt dann in eine Gesellschaft, die in der Regel nicht von den Anlegern verwaltet wird. Die Kapitalanlage erfolgt also individuell und das eingesammelte Kapital wird, trotz einer gemeinschaftlichen Aktion, ebenfalls individuell von einer „fremden“ Gesellschaft verwaltet.

Die Crowdfunding-Modelle, die man dem Crowdinvesting zurechnet, bewegen sich dabei allerdings nicht in einem rechtsfreien Raum (auch, wenn das teilweise anders dargestellt wird). Folglich müssen die Plattformbetreiber bestimmten Anforderungen genügen. Beispielsweise müssen sie über eine Erlaubnis für den Vertrieb von Kapitalanlagen oder die Vermittlung von Darlehen verfügen. Auch die Angebote, die über die Plattformen erfolgen, müssen den rechtlichen Anforderungen genügen. Beispielsweise müssen bei größeren Emissionen Wertpapierprospekte erstellt werden. Das gilt insbesondere auch für die die Wertpapiere, die den Anlegern ein Mitspracherecht ermöglichen. Daher werden in Deutschland aktuell auptsächlich Nachrangdarlehen (partiarische Darlehen) als Beteiligungsmöglichkeit instrumentalisiert. Diese sind für beide seiten riskant und bergen für Anleger Risiken, da sie keinerlei Mitsprache- oder Kontrollmöglichkeit haben. Echte Unternehmens- oder Projektanteile, die den Anlegern Kontroll- oder Mitspracherechte einräumen und so aus einer Schwarmfinanzierung eine gemeinschaftliche Kapitalanlage machen, finden sich praktisch nicht. Man könnte überspitzt auch formulieren, dass eine gemeinschaftliche Kapitalanlage mittels Schwarmfinanzierung aufgrund eines Regulierungsproblems nicht möglich ist.

Technologie, insbesondere das Internet mit den Möglichkeiten sozialer Netzwerke ermöglichen allerdings eine Lösung für dieses Regulierungsproblem. Von Dr. Levin Brunner wurde beispielsweise anstelle von Crowdfunding ein Konzept namens Crowdfounding (http://support.mashup-finance.de/crowdfounding/) beschrieben. Dabei geht es nicht darum, einen Schwarm an Geldgebern zu finden, sondern einen Schwarm, der komplementäre Ressourcen bereitstellt. Denkt man diesen Ansatz konsequent weiter, lässt sich auf diese Weise ein Regulierungsproblem der Schwarmfinanzierer lösen.

Startet man ein dem von Brunner beschriebenem Ansatz ähnliches Crowdfounding-Projekt und zeigt unterschiedliche Partizipationsmöglichkeiten auf, die nicht in einer verbindlichen Investition, sondern zunächst in einer Absichtserklärung endet, findet formal kein öffentliches Angebot statt. Folglich wird weder ein Wertpapierprospekt für den Emittenten noch eine Vertriebserlaubnis für den Plattformbetreiber benötigt. Anschließend erfolgt dann ein Findungsprozess, der die einzelnen Interessen der beteiligten Investoren berücksichtigt. Dieser könnte z.B. von Smart Contracts abgesichert werden. Er schließt damit, dass eine Gesellschaft gegründet wird, die das Kapital aller Investoren verwaltet. Im einfachsten Fall entspräche das einer Beteiligungsgesellschaft, die ihr Kapital z.B. in ein Startup investiert. Es könnte natürlich auch komplexer ausfallen, um beispielsweise ein Immobilienprojekt zu realisieren, bei dem die Immobilien auch von der Gesellschaft verwaltet werden und die Anleger sich aktiv dabei einbringen.

Da beim skizzierten Vorgehen die Gemeinschaft nicht nur das Kapital beisteuert, sondern sich auch aktiv einbringt, die Investitionsentscheidung kollektiv trifft und gemeinschaftlich die Risiken der Gesellschaft trägt, kann man von einer echten gemeinschaftlichen Kapitalanlage sprechen. Ob man dazu einen Ansatz wählt, der dem oben beschriebenen Crowdfounding-Ansatz entspricht oder andere Technologien nutzt, ist eigentlich unerheblich. Denkbar sind auch Ansätze, die denen von Dating-Portalen ähneln. Ein wesentlicher Vorteil dabei ist auch, dass sich gemeinsam Investitionen tätigen lassen, die normalerweise nur institutionellen Investoren offenstehen. Gleichzeitig fallen die teuren Vertriebs- und Regulierungskosten weg, was konkret bedeutet, dass den Anlegern dieses Geld als Rendite zufließt. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sich neben dem Kapital auch Fachwissen, welches für die Investitionsvorhaben nötig ist, in der Gemeinschaft findet.

Die Idee der gemeinschaftlichen Kapitalanlagen ist nicht neu. Sie ist auch nichts, was nicht abseits eines organisierten Marktes bereits existiert. Neu ist jedoch, dass sich Dank des Internets und der damit verbundenen Technologien nun Möglichkeiten ergeben, die bisher ungeahnte Potenziale schöpfen könnten.

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