Im Zuge des Hypes um Fintech-Startups steht ein Thema besonders im Fokus: die Blockchain-Technologie. Allerdings ist die Blockchain-Technologie, auch wenn sie durch Bitcoin groß geworden ist, nicht nur im Finanzumfeld relevant. Glaubt man denen, die das Thema forcieren, wird die Blockchain so ziemlich alles verändern, was auch nur im Entferntesten mit Banking, Zahlungsverkehr und Verträgen sowie Organisations- und Managementvorgängen zu tun hat. Man kann davon ausgehen, dass diese Annahme richtig ist. Konsequenterweise kann man auch davon ausgehen, dass einige der heute an den Start gehenden oder bereits aktiven Startups, die sich dieser Technologie widmen, perspektivisch gute Aussichten auf Geschäftserfolg haben. Alleine der Einsatz von Blockchain-Technologie ist allerdings noch lange keine Garantie für ein florierendes Geschäft. Eine Investition in ein Blockchain-Startup sollte also genauso gut geprüft werden, wie jede andere Investition auch.
Der Kern eines jeden Startups ist das Geschäftsmodell. Und genau das sollte man sich auch dann anschauen, wenn Startups auf Blockchain-Technologie setzen. Typische Anwendungsbereiche sind der Zahlungsverkehr sowie das Aufsetzen und Schließen sicherer Verträge. Prinzipiell stellen aber auch andere Anwendungen, wie beispielsweise Handelssysteme, Marktplätze oder die dezentrale Zusammenarbeit, Geschäftsmodelle dar, die mittels Blockchain realisiert werden können. Wesentlicher Vorteil der Ansätze, die auf der Blockchain aufbauen, ist der Wegfall „vertrauenwürdiger“ Intermediäre oder zentralisierter Überwachungs- und Steuerungsinstitutionen. Auf diese Weise lassen sich z.B. Zahlungen ohne Anbieter, denen man z.B. aufgrund staatlicher Regulierung vertraut, praktisch fälschungssicher durchführen. Auch Verträge ließen sich so fälschungssicher schließen und so weiter. Man könnte jetzt alle erdenklichen Anwendungsszenarien skizzieren und bewerten. Anschließend wäre ein Vergleich mit den Konzepten der Blockchain-Startups und der von Konzernen getriebenen Konsortien durchzuführen, mit dem man dann wiederum Schlüsse über deren Zukunftsaussichten ziehen könnte. Das ist allerdings mühsam und nicht unbedingt zielführend. Viel mehr lassen sich die Konzepte zur Anwendung von Blockchain-Technologie in drei bzw. vier leichter zu handhabende Kategorien nach Stellung in dem jeweils zugrundeliegenden Geschäftsmodell unterteilen. Dieser Ansatz ist daher nicht nur für Investoren sinnvoll, sondern auch für Innovatoren von praktischem Nutzen, da er auf der Ebene der Technologieapplikation klassifiziert und auf Geschäftsmodellebene bewertet.
Der ersten Kategorie würde man Konzepte zur Prozessoptimierung, Ergänzung oder Substitution bestehender Lösungen innerhalb eines Geschäftsmodells zuordnen. Als Beispiele lassen sich hier z.B. Zahlungslösungen für Onlineshops anführen, welche die Zahlung mit Bitcoins akzeptieren. Der zweiten Kategorie lassen sich Konzepte zuordnen, die ein bekanntes Geschäftsmodell nutzen, sich technologisch aber vollständig neu orientieren und anstelle etablierter Lösungen auf die Block Chain setzen. Beispiel für ein derartiges Konzept ist das Betreiben von Handelsplätzen für Wertpapiere oder anderer Assets (z.B. von Digital Asset Holdings). Der dritten Kategorie werden Konzepte zugeordnet, die ein Geschäftsmodell verfolgen, welches bisher nicht existierte oder nicht rentabel umzusetzen war und durch die Anwendung von Blockchain-Technologie erstmalig zu einem Cashflow führen könnte (z.B. Plex). Darüber hinaus gibt es noch eine vierte Kategorie. Dieser werden technologische Ansätze zugeordnet, deren Nutzen vielversprechend ist, ein belastbares Erlösmodell jedoch noch fehlt.
Die Risiken der Blockchain-Applikation steigen mit den Kategorien. Wird nur ein Prozess optimiert, ein Teilprozess substituiert oder ergänzt, sind die Risiken vergleichsweise niedrig. Im schlimmsten Fall wäre der zusätzliche Nutzen gering oder man würde den Schritt rückgängig machen. Interessanterweise sind die Potenziale nicht automatisch gering, sondern hängen davon ab, an welcher Stelle substituiert, ergänzt oder optimiert wird. Die Risiken von Konzepten, die man der zweiten Kategorie zuordnet, sind wiederum höher. Zwar wird das Geschäftsmodell nicht verändert und folglich auch keine Änderungen des Kundennutzens und des Erlösmodells durchgeführt, eine vollständige Neuorientierung aller Prozesse im Zusammenhang mit dem Einsatz von Blockchain-Technologie ist aber in jedem Fall mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden. Wenn durch ihren Einsatz nicht in erheblichem Umfang Kosten eingespart werden können oder aber doch zusätzlicher Kundennutzen entsteht, dürfte sich eine Investition nicht unbedingt rentieren und eingesetztes Geld wäre verbrannt. Steht hingegen ein vollständig neues Geschäftsmodell zur Diskussion, sind die Risiken erheblich. In einem solchen Fall kommen zu den technologischen Risiken zusätzlich die Risiken, die das neuartige Geschäftsmodell mit sich bringt. Liegt lediglich eine neue Technologie-Applikation vor und das zugehörige Geschäftsmodell muss noch entwickelt werden, ist das Risiko enorm. Gleichzeitig könnte damit natürlich etwas geschaffen werden, was derartig neuartig und disruptiv ist, dass sich der Einsatz zu einer ungeheuerlichen Rendite führt (die Suchmaschine Google war seinerzeit ein solches Investment).
Doch warum die ganze Theorie, die letztlich nichts Neues zutage fördert? Ganz einfach. Startups, die aktuell auf Blockchain-Technologie setzen, gelten allgemein als super Investmentchancen. Allerdings liegt diese Auffassung in der breiten Öffentlichkeit primär daran, dass die Funktionsweise, die man mit Blockchain-Technologie bezeichnet, nicht wirklich verstanden wird. Die Technologie gilt als komplex. Daher überschattet der Sachverhalt, dass die Macher von Blockchain-Startups als Genies wahrgenommen werden, die Geschäftsmodelle, die hinter den Unternehmungen stecken. Sofern der Kundennutzen, der geschaffen wird, keinen wirklichen Mehrwert gegenüber dem Ist-Zustand darstellt, handelt es sich jedenfalls nicht um empfehlenswerte Investments. Die Geschäftsmodelle der Startups oder von Konzern-Konsortien sollten daher im Vordergrund stehen, nicht die Tatsache, dass da etwas mit Blockchain-Technologie geschaffen wird.
Wer nach Investment-Chancen im Zusammenhang mit Blockchain-Technologie sucht, sollte sich über die oben geschilderten Technologie-Applikationen in den vier Kategorien im Klaren sein. Empfehlenswert sind insbesondere Chancen, die der ersten und dritten Kategorie zugeordnet werden können. Wirklich interessant sind natürlich die Konzepte, die noch kein vollständiges Geschäftsmodell haben. Diese sollten aber wirklich nur dann als mögliche Investitionen in Betracht gezogen werden, wenn man einen Totalverlust verschmerzen kann und sich im Klaren darüber ist, dass es sich mehr um eine Art Lotterieschein handelt als um eine Kapitalanlage.
[…] Blockchain-Technologie ist kein Ersatz für das Geschäftsmodell […]