Passt die Prospektpflicht zu einem modernen Crowdinvesting?

Das erste größere der Prospektpflicht unterliegende Crowdfunding bzw. Crowdinvesting läuft seit kurzem. Für die Betreiber der Plattform, die Bergfürst AG, ist das ein voller Erfolg. Auch für das kapitalsuchende Unternehmen, die URBANARA GmbH, ist das natürlich äußerst positiv. Doch ist das für die Entwicklung von Crowdfunding als Möglichkeit für die Finanzierung von Startups und mittelständischen Unternehmen auch positiv?

Die Finanzbranche gehört in Deutschland und den meisten anderen Ländern zu den Wirtschaftszweigen, die am stärksten der Regulierung unterliegen. Ein wesentliches Element der Regulierung ist die Prospektpflicht. Eng mit der Prospektpflicht verflochten ist die Prospekthaftung.

Der Prospektpflicht unterliegen prinzipiell alle Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. Prinzipiell unterliegen also auch angebotene Beteiligungen, wie es beim Crowdinvesting häufig der Fall ist, dieser Prospektpflicht. Allerdings gibt es Ausnahmen, die bislang glücklicherweise voll umfassend ausgeschöpft werden. Auf diese Ausnahmen soll an dieser Stelle aber nicht genauer eingegangen werden. Die prospektpflicht besagt, dass vor dem öffentlichen Angebot der Wertpapiere ein sogenanntes Wertpapierprospekt erstellt und von der BaFin gebilligt werden muss. Der Begriff Prospekt ist dabei jedoch irreführend, da es sich vom Umfang her schon fast um ein Buch handelt. Wertpapierprospekte weisen meist deutlich mehr als 100 Seiten auf. Darin werden alle möglichen Themen im Zusammenhang mit einer Anlage in das Wertpapier beschrieben. Angefangen von einer Beschreibung des Unternehmens, über die Verwendung des eingesammelten Kapitals bis hin zu den Risiken und Nebenwirkungen. Die Erstellung eines solchen Prospekts ist für das kapitalsuchende Unternehmen mit erheblichem Aufwand verbunden. So schlägt die Erstellung mit hohen fünfstelligen bis hin zu sechsstelligen Beträgen zu buche. Die anschließende Prüfung und Zulassung der BaFin kostet weitere 6.000 €. Die BaFin prüft den Inhalt formal, jedoch nicht sachlich inhaltlich. Die formelle Prüfung sichert folglich lediglich die Vollständigkeit der enthaltenen Informationen, wobei diese auch nicht wirklich gewährleistet ist, da die Vollständigkeit abhängig von den sachlich inhaltlichen Fakten ist.

Man könnte auch postulieren, dass ein Wertpapierprospekt eine sehr komplizierte Ansammlung von Texten ist, welche die Frage nach einem möglichen Totalverlust und möglichen weiteren Kosten beantworten. Diese Sachverhalte ließen sich eigentlich als Zweizeiler klarstellen! Folglich ist ein Wertpapierprospekt wertlos, wenn man ehrlich ist. Ein derartiges Dokument suggeriert einem Anleger lediglich ein trügerisches Gefühl von Sicherheit und Seriosität.

Charakteristisch für Crowdinvesting ist die Einbeziehung vieler Investoren sowie die Verbreitung der Anlagemöglichkeit über das Internet. Damit eine solche Schwarmfinanzierung erfolgreich verläuft, muss das kapitalsuchende Unternehmen einen erheblichen Aufwand bei der Bereitstellung von Informationen treiben. Dazu gehört eine verständliche und schlüssige Beschreibung des Vorhabens, eine plausible Darlegung der Finanzplanung und das unermüdliche Beantworten der von der Crowd gestellten Fragen. Mehr Transparenz ist gegenüber einem potenziellen Anleger faktisch nicht möglich!

Stellt man dem Informationsfluss beim Crowdinvesting den Informationsstand eines Wertpapierprospektes gegenüber, so kommt man schnell an einen entscheidenden Punkt: die Aktualität! Beim Wertpapierprospekt wird ein statischer Faktenstand dargelegt. Demgegenüber erfolgt bei der Kommunikation beim Crowdinvesting eine dynamische Anpassung der bereitgestellten Informationen sowie eine Interaktion mit dem Anleger. Diese Interaktion fehlt bei herkömmlichen Anlageformen. Für einen Anleger ist sie allerdings enorm hilfreich.

Interaktion mit Kunden, Geldgebern und anderen Stakeholdern ist in unserer heutigen modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Insbesondere das Internet ermöglicht nicht nur die Publikation von Informationen, sondern eben auch die Reaktion darauf, was idealerweise in einer Interaktion endet. Überalterte Publizitäts- und Prospektpflichten sollten deshalb nicht nur überdacht, sondern in ihrer bestehenden Form abgeschafft werden.

Mit der Prospektpflicht ist, wie oben beschrieben, die Prospekthaftung verflochten. Diese begründet eine Haftung für Schäden, die einem Anleger aus einer Kapitalanlage entstehen, wenn das Wertpapierprospekt irreführende oder falsche Informationen enthält. In den Fällen, in denen das Unternehmen (meist eine juristische Person mit Haftungsbeschränkung) Konkurs anmelden muss, ist das Geld aber auch bei einer Prospekthaftung weg. Das sagt den Anlegern niemand. Auch die BaFin, die von vielen ja als so wichtige Institution eingestuft wird, haftet nicht ersatzweise. Die Prospekthaftung ist also für die Anleger beim Crowdinvesting uninteressant.

Sowohl Unternehmen als auch Investoren, die sich mittels Crowdinvesting engagieren, zeichnen sich durch eine moderne Sichtweise der Dinge aus. Investoren verwenden das Internet als Informations- und Kommunikationsmedium und verfügen, Studien zeigen das, meist über eine gute Ausbildung und ein gewisses Vermögen. Die Unternehmen wiederum haben erkannt, dass die Interaktion nicht nur Vertrauen schafft, sondern auch ein hervorragendes Marketinginstrument ist. In dieses moderne, aufgeklärte und informationsgetriebene Umfeld passen altbackene Regeln, wie die Prospektpflicht nicht rein. Derartige Bremsen des Gesetzgebers und die institutionalisierten Akteure der Finanzbranche verhindern auf diese Weise Innovationen. Umso wichtiger wäre es für Crowdinvesting und die deutsche Gründerlandschaft, wenn sowohl die Kapitalbeschaffung für Unternehmen als auch moderne neue Geschäftsideen für die Finanzbranche nicht durch „German Angst“ und den daraus resultierenden Regulierungswahn verhindert werden.

Bergfürst zeigt, wie man sich ohne Wellen zu schlagen, in ein bestehendes System einreiht. Als Zwischenschritt ist das durchaus in Ordnung. Langfristig sind allerdings modernere Varianten erstrebenswert. Insbesondere die Möglichkeiten sozialer Netzwerke sowie das Verarbeiten und Clustern von Informationen ermöglichen, jedenfalls als Gedankenexperiment, viele Möglichkeiten ohne BaFin, die derzeit noch nicht ausgeschöpft werden.

Crowdinvesting braucht langfristig weniger Institution und mehr Innovation!

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Veröffentlicht unter Crowdfunding, Finanzboulevard

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