Rohstoffe und seltene Erden nur für risikofreudige Anleger, strukturierte Finanzprodukte für Anleger mit Sicherheitsbedürfnis?

Dass Kapitalanlagen in rohstoffsuchende und rohstofffördernde Unternehmen in der Regel nur für risikofreudige Anleger geeignet sind, sollte weitgehend bekannt sein. Dennoch erfreuen sich Investments in derartige Unternehmen nach wie vor großer Beliebtheit. Die Risiken eines Investments können vom laienhaften Investor grob durch die Einordnung des Unternehmens in die jeweiligen Entwicklungsstadien vorgenommen werden. Einfach ausgedrückt ist das Risiko am größten, genau genommen extrem groß, wenn sich das Unternehmen in der Explorationsphase befindet, wenn also noch nach Rohstoffvorkommen gesucht wird. Das nächste Stadium ist die Entwicklungsphase, an deren Ende das Unternehmen weiß, dass der gesuchte Rohstoff vorhanden ist und wie wirtschaftlich rentabel dessen Abbau ist. Normalerweise schließt die Entwicklungsphase mit der konkreten Planung der Mine und einer Finanzierung ab. In diesem Stadium ist das Risiko eines Investments nicht mehr ganz so groß, da man nun nicht mehr in die Katze im Sack investiert. Das letzte Stadium ist die Produktionsphase, in der die Mine gebaut und die Rohstoffvorkommen gefördert werden. Ist die Förderung erst mal angelaufen, bleiben letztlich nur noch das Risiko schwankender Rohstoffpreise und die weltweiten wirtschaftlichen und politischen Geschehnisse. Mit zunehmendem Voranschreiten der Projektentwicklung von der Rohstoffsuche hin zur produzierenden Mine steigt der Aktienkurs sukzessive, teils mit heftigen Schwankungen, an. Immer mal wieder kommt es zu starken Kursanstiegen aufgrund von überzogenen Erwartungshaltungen, dann wieder zu starken Kursverlusten aufgrund von enttäuschten Privatanlegern. Hin und wieder gibt es ein Private Placement und damit einhergehend ein paar Verwässerungseffekte. Diese sind jedoch im Vergleich zu den im Regelfall erfolgenden Kursgewinnen vernachlässigbar. Eigentlich ist alles ganz logisch, die Karten liegen offen auf dem Tisch. Je mehr Risiko der Investor eingeht, desto größer fällt sein Gewinn aus, wenn denn Rohstoffe gefunden werden und irgendwann mal eine Mine in Betrieb genommen wird. Mitunter dauert dieser Prozess sehr lange und man braucht genügend Sitzfleisch. Außerdem muss man damit rechnen, dass viele Investments in Juniorexplorer schief gehen, wenn man nicht genau weiß, was man tut und mit wem man sich da einlässt. Derartige Investments sind und bleiben nun mal risikobehaftete Angelegenheiten. Für sicherheitsliebende Anleger bleibt das Festgeld und Fonds mit Einlagensicherung. Aber so ist das eben: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
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Doch so denken bei Weitem nicht alle Experten über das Thema. Im Artikel „Nur für risikofreudige Anleger“ des heutigen Handelsblatt (Udo Rettberg: Nur für risikofreudige Anleger. Handelsblatt, 17.07.2012, Seite 32) wird dem prinzipiell risikobehaftetem Charakter von Investments in Aktien von rohstoffsuchenden und rohstoffproduzierenden Unternehmen nicht widersprochen. Vielmehr wird dieser bestätigt. Stattdessen wird Kleinanlegern empfohlen, lieber in spezielle Zertifikate zu investieren. Begründet wird dies mit stark schwankenden Kursen der jeweiligen Unternehmen und den engen Rohstoffmärkten, was auch immer der Autor damit sagen möchte. Beim Leser wird so jedenfalls der Eindruck erweckt, als seien Zertifikate weniger risikobehaftet als Unternehmen der Rohstoffbranche. Und eine derartige Darstellung ist nicht nur nicht vollständig richtig, sondern absolut falsch. Konkret würde dies nämlich bedeuten, dass ein Anleger, der zu dämlich ist, sich mit einem bestimmten Aktientitel auseinanderzusetzen, gleichzeitig schlau genug ist, ein strukturiertes Finanzprodukt zu verstehen. Dies stellt schlicht einen Widerspruch dar. Ein strukturiertes Finanzprodukt, wie beispielsweise ein Zertifikat, basiert in der Regel auf sogenannten Basisprodukten, also beispielsweise Aktien oder Optionen, sowie einem Derivat. Wenn ein Anleger nicht in der Lage ist, eine Aktie eines bestimmten Segments beurteilen zu können, dann wird er wohl kaum in der Lage sein, ein komplexeres Produkt, dessen leicht verständlichster Baustein eine solche Aktie ist, zu verstehen. Dem Artikel nach soll es aber in etwa so sein. Neben den Zertifikaten werden auch Indexfonds als sinnvolle Alternativen zu direkten Aktienkäufen besagter Unternehmen genannt. Im Wesentlichen hat der Autor an dieser Stelle also nicht Unrecht. Zwar stellt der Kauf eines Indexfonds im weitesten Sinn eine Risikostreuung dar, weil man in mehrere Unternehmen investiert, da aber ein bestimmter Index nachgebildet wird, lebt man auch mit Verlusten der sich unterdurchschnittlich entwickelnden Unternehmen. Ein wirklicher Vorteil für den Anleger lässt sich aber kaum ableiten. Vielmehr müssen neben den Kursrisiken und Vermittlerprovisionen auch noch die Verwaltungsgebühren der Fonds bezahlt werden – und das auch bei negativer Performance.

Das Risiko bestimmter Blasen, die im Artikel ebenfalls erwähnt werden, wird im Übrigen nicht durch Zertifikate oder bestimmte Fonds reduziert. Es würde vor allem reduziert werden, wenn man sich anderen Branchen oder anderen Nischen in der Rohstoffbranche zuwendet – also nicht den Trends hinterher rennt. Vielleicht hätten die Experten lieber diese Aussage formuliert als die der Unterüberschrift: „Den Einstieg bei Förderunternehmen seltener Rohstoffe halten Experten erst mittelfristig wieder für interessant.“

Johannes Tschesche

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Veröffentlicht unter Allgemein, Finanzboulevard

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