Kauft die Crowd auf dem Crowdmarkt bald Crowdsalat vom Crowdhändler?

Das Jahr 2012 stand voll und ganz im Zeichen von Crowdfunding. Diverse Plattformen zur Durchführung von Kapitalsammelaktionen mit den unterschiedlichsten Zielgruppen und Ausgestaltungsformen sind wie Pilze aus dem Boden gesprießt. Einige haben sich zu Marktführern und ernstzunehmenden Unternehmen entwickelt, andere wird es vermutlich in einigen Monaten, spätestens aber in wenigen Jahren, schon nicht mehr geben. Also in etwa genauso, wie es sich in anderen aufstrebenden Branchen auch verhält. Was ebenfalls zu neuen Dingen gehört sind Begriffe, die mit diesen Neuheiten entstehen. Das ist so, weil neue Dinge mit einem Namen versehen werden müssen, oder weil man mit einer bestimmten Ausdrucksweise eine bestimmte Lebensart in Verbindung mit bestimmten Dingen betonen möchte. Das abscheulichste Beispiel dafür ist der Begriff App (zu Deutsch: Äpp). Gemeint ist damit ein profanes Computerprogramm. Entwickelt hat sich im Kontext von Smartphones und Tablet-Computern und wird heute auch bei „normalen“ Computern zunehmend verwendet. So unschön der Begriff Äpp sein mag, so praktisch ist er aber auch: jeder weiß, was damit gemeint ist.

Beim Crowdfunding passiert derzeit etwas Ähnliches. Etwas Neues wird populär und die Anhänger und Berichterstatter befassen sich mit den Begriffen, die dieses Neue beschreiben. Schön wäre es jetzt natürlich, wenn sich diese Personen zunächst mal den Begriffen widmen würden, die es bereits gibt, die in einschlägigen Kreisen bekannt sind, bestimmte Dinge definieren und damit die Sache beschreiben. Das würde allerdings voraussetzen, dass man sich mit etwas neuem auseinandersetzt und nicht nur irgendwelche Phrasen raushaut. Für die unterschiedlichsten Formen von Crowdfunding gibt es im Englischen diverse Begriffe, die genau charakterisieren, was genau gemeint ist. Beispielsweise gibt es neben, diversen anderen Varianten, lendig-based Crowdfunding und equity based Crowdfunding. Wenn man nun von equity-based Crowdfunding spricht, ist klar, was gemeint ist.

Im deutschsprachigen Raum verhält es sich anders. Crowdfunding ist hier vor allem durch den Begriff Crowdinvesting populär geworden. Blöd war allerdings, dass diejenigen, die diesen Begriff anfangs verwendeten, anscheinend keine Ahnung hatten, von was sie da eigentlich schreiben. In diversen Artikeln finden sich Abgrenzungen zwischen Crowdfunding und Crowdinvesting, die letztlich einfach nur haarsträubend falsch und unsinnig sind. Das Schlimme daran ist, dass der Begriff Crowdinvesting eigentlich gar nicht so schlecht ist. So charakterisiert er durch die Zusammensetzung aus den Begriffen „Crowd“ und „Investing“ das Wesentliche (die Crowd) und eine bestimmte Absicht (investieren oder die Investierung). Glücklicherweise hat es die Crowd der Schlaumeier geschafft, dass nun sehr viele Leute in etwa wissen, was mit Crowdinvesting gemeint sein könnte. Eindeutig ist er aber noch immer nicht belegt. So führen die Autoren von deutschsprachigen echten Fachartikeln und echten Fachbüchern in Ihren Arbeiten noch immer immer eine Begriffsdefinition ein, in der sie schreiben, dass es sich um Crowdfunding handelt. Leider haben die meisten anderen, die sich heute mit Crowdinvesting auseinandersetzen, ihre Hausaufgaben noch immer nicht gemacht. Stattdessen werfen sie mit neuen Begriffen um sich, die die Leute verwirren.

Da gibt es beispielsweise das Crowdinvestment und den Crowdmarkt und noch besser: den Crowdinvestment-Markt. Mit Crowdinvesting kann man sich ja anfreunden, aber mit Crowdinvestment? Was ist denn ein Crowdinvestment? Ist damit das Investieren eines Individuums der Crowd gemeint oder die Investierung der gesamten Crowd? Oder ist damit gar ein Finanzprodukt gemeint? Problematisch ist der Begriff Investment vor allem dadurch, dass er eigentlich doppelt belegt ist. Und was ist der Crowdmarkt? Besteht nicht jeder Markt aus Marktteilnehmern, sozusagen also aus einer Art Crowd? Ein ebenfalls vorkommender Begriff ist Crowdfinance. Vermutlich zielt er auf Finanzprodukte oder Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit Crowdfunding ab. Oder bezeichnet er doch eine Branche? Wie es ist, weiß offenbar keiner.

Die Leser solcher Begriffe können in den meisten Fällen zwar erahnen, um was es geht, wirklich wissen können sie es aber nicht. Vermutlich wissen nicht mal die Autoren selbst, was sie damit eigentlich meinen. Besonders tragisch ist es, wenn Portalbetreiber selbst solchen Crowdsalat verbreiten – und auch das kommt vor. Zwar ist der Einäugige unter den Blinden König, es wäre aber fatal zu glauben, dass die Welt nur von Einäugigen und Blinden bevölkert wird. Dass das schwammige Verwenden von Begriffen auch Konsequenzen hat lässt sich u.a. daran erkennen, dass die Portale, die mit unsauberen Begriffen arbeiten, weniger erfolgreich sind als die, die sich bei der Formulierung ihres Geschäfts etwas mehr Mühe geben. So verwendet z.B. der deutsche Marktführer (Seedmatch) eine verständliche Sprache. Da es beim Crowdfunding im Wesentlichen um Geld geht, sollte man sich eine entsprechende Ernsthaftigkeit angewöhnen – unabhängig davon, ob das Geld für einen karitativen oder künstlerischen Zweck oder als Kapitalanlage verwendet wird. Das gelingt nur, wenn man aufhört Bullshit Bingo zu spielen!

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Veröffentlicht unter Crowdfunding, Finanzboulevard

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