Warum Deutschland nicht noch mehr überflüssige Regulierung braucht

In der Angelegenheit um die Unternehmensgruppe PROKON wurden heute und in den letzten Tagen weitere Details bekannt. So wusste laut Handelsblatt (http://www.handelsblatt.com/finanzen/recht-steuern/anleger-und-verbraucherrecht/anlegerrecht-spielraeume-sind-nicht-vorhanden-seite-all/9435092-all.html, abgerufen am 05.02.2014 um 18:00 Uhr) die BaFin angeblich bereits vor Jahren von den Liquiditätsproblemen der Unternehmensgruppe PROKON. Diese Liquiditätsprobleme konnten aufgrund der Ausgestaltung des Geschäftsbetriebs sowie aufgrund der Finanzierung von Anlagen und Anlegerrenditen entstehen. Darüber hinaus wurde der Unternehmensgruppe ein „bankähnliches Geschäft“ unterstellt, worauf eine Auflösung alter Fonds gefordert wurde, was wiederum mit Kosten verbunden war. Das nötige Kapital dafür wurde durch die Ausgabe von Genussrechten eingesammelt. Das alles geschah mit dem Wissen der BaFin ohne ernsthafte Konsequenzen für PROKON. Das Nichteinschreiten der Aufsichtsbehörde wird damit begründet, dass aufgrund der Sachlage weder eine Handlungsgrundlage noch eine Zuständigkeit vorlag. Diese Haltung muss mehr als kritisch gesehen werden. So hat auch die BaFin und ihre Mitarbeiter beim begründeten Verdacht (wenn also Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass…) von strafbaren Handlungen die Möglichkeit, zuständige Stellen (z.B. Staatsanwaltschaft, etc.) zu informieren. Diese sind dann ggf. sogar verpflichtet, dem Sachverhalt nachzugehen. Im Fall PROKON wäre dann bereits 2005 die zuständige Staatsanwaltschaft zu informieren gewesen, da hier „bankähnliche Geschäfte“ ohne Zulassung stattfanden oder wenigstens ein Anfangsverdacht dafür bestand, und Bankgeschäfte ohne Erlaubnis nach § 54 KWG strafbar sind. Kurz gesagt: da hat jemand gewaltig gepennt!

Bereits mehrfach wurde in diesem Blog auf die Wirkungslosigkeit und die Absurdität einer Prospektpflicht und die damit verbundene Regulierung verwiesen. Dank PROKON wird dieser Sachverhalt nun auch auf breiter Front in der Öffentlichkeit entlarvt. Die Prospektpflicht dient derzeit alleine drei Dingen:

  1. Die staatlichen Stellen können ihre Hände in Unschuld waschen und darauf verweisen, dass man der nötigen gesetzlichen Verpflichtung nachgegangen ist.
  2. Unternehmen können ihre Wertpapiere, egal wie schwachsinnig sie noch sind und losgelöst von jeglicher Seriosität des Geschäftsbetriebs, mit dem „Geprüft-Siegel“ der BaFin bewerben und Anlegern/Investoren so Sicherheit 8selbst bei einem möglichen Totalverlust) vorgaukeln.
  3. Eine ganze Schar Anwälte, Berater und nicht zuletzt der Staat verdienen hervorragend an der Prospektpflicht.

Da die Prospektpflicht in ihrer derzeitigen Form folglich als völlig wirkungsloses Geldvernichtungsinstrument zum Schaden der Anleger und Investoren eingestuft werden muss, sollte sie dringend abgeschafft oder vollständig überarbeitet werden!

Ein weiteres Problem, was durch die Angelegenheit im PROKON deutlich wird, ist die komplizierte Zuständigkeitsstruktur für unterschiedliche Geldgeschäfte. So werden Bankgeschäfte je nach Art und Weise beispielsweise über die BaFin oder die Bundesbank beaufsichtigt. Die BaFin ist aber auch für die Billigung der Wertpapierprospekte nicht weiter stärker regulierter Unternehmen zuständig. Die Vermittlung von Kapitalanlagen und Darlehen für Immobilienfinanzierungen hingegen wird über die Gewerbeordnung geregelt und über die örtlichen Industrie- und Handelskammern geregelt. Die Anlageberatung bedarf aber wiederum einer ausschließlichen oder zusätzlichen Genehmigung im Sinne des KWG durch die BaFin. Und diese beschriebenen Sachverhalte sind noch keinesfalls vollständig und für alle Möglichkeiten richtig! Wenn man sich jetzt noch die Schnittstellen zwischen den einzelnen Akteuren vorstellt, wird schnell klar, dass diese Trennung schlicht und einfach Quatsch ist und außer Chaos nichts bringt – am allerwenigsten aber Anleger- und Verbraucherschutz. Wie problematisch daher auch die Handlungs(un)sicherheit der Unternehmen und Selbständigen in diesen Geschäftsbereichen ist, wird ebenfalls klar.

Ein weiteres Problem ist der Vertrieb von Kapitalanlagen und die damit im Zusammenhang stehende Aufklärung über Chancen und Risiken. Häufig wird in diesem Kontext der graue Kapitalmarkt als Bösewicht aufgeführt, der ausgedünnt werden müsse. Das ist so allerdings totaler Quatsch. Erstens ist die Grenze zwischen dem grauen und dem weisen Kapitalmarkt mittlerweile nicht mehr eindeutig zu ziehen, zweitens ist der weiße Kapitalmarkt Kraft eigener Arroganz und teurer Regulierung keinesfalls als seriöser oder anlegerfreundlicher einzustufen. Im Artikel Klarverträge für Kapitalanlagen wird eine Lösungsmöglichkeit für die Problematik der Risikoaufklärung aufgezeigt.

Im Sinne einfacher Handhabungen und einer möglichst sinnvollen, schlanken, wirkungsvollen und kostengünstiger Regulierung sollten einige Aspekte im Kontext von Kapitalanlagen einfach neu überdacht werden. Dazu gehört beispielsweise das Thema der Zulassung und Überwachung von Kapitalanlagen. Wertpapierprospekte, deren Erstellung und Billigung große fünfstellige bis kleine sechsstellige Beträge kostet, die gleichzeitig aber wirkungslos sind, müssen abgeschafft werden. Damit Unternehmen aber nicht völlig willkürlich ohne jede Kontrolle Kapitalanlagen auf den Markt schmeißen, sollte eine einfache Registrierung für die Zulassung ausreichen. Gleichzeitig müssen die Unternehmen dazu verpflichtet werden, dass sie ihre Finanzen inklusive der Summe des eingesammelten Kapitals offenlegen müssen – und zwar ausnahmslos und für JEDERMANN verständlich. Auch eine derartige Offenlegung passt auf eine DIN A4 Seite bei Schriftgröße 11 mit 1,3-fachem Zeilenabstand.

Sein wir doch mal ehrlich. Selbst die Offenlegungspflichten börsennotierter, überregulierter Unternehmen sind für den durchschnittlichen Anleger überhaupt nicht nachvollziehbar und verständlich. Wenn man jetzt andere Unternehmen zwingt, ebenfalls Wirtschaftshieroglyphen und Businesskauderwelsch zu veröffentlichen und diese dann mit ein paar Begriffen aus dem Bullshit-Bingo testieren zu lassen, dann bewegt man sich vom Regen in die Traufe!

Um den Anlegerschutz zu verbessern sollten gewisse Kapitalanlagen zunächst mal verboten werden. Lotteriescheine haben als seriöse Investments keinerlei Daseinsberechtigung. Das gilt für Zertifikate aller Art, verklausulierte Genussrechte und Anleihen sowie strukturierte Finanzprodukte generell. Warum muss man außer Eigenkapital und Darlehen noch weitere Möglichkeiten zur Kapitalaufnahme schaffen?

Im Falle risikobehafteter Kapitalanlagen wäre zur Beurteilung ein Ampelsystem denkbar, was zwischen einem grünen Punkt für Einlagensicherung und völlig frei von Gebühren bis hin zu einem roten Punkt für die Möglichkeit eines Totalverlusts reicht. Diese Sachverhalte sollten außerdem auf Werbe- und Vertragsunterlagen verpflichtend sein. So würde ein Hochglanzprospekt mit schönen Häusern, schicken Menschen, teuren Autos und Uhren, Windrädern, Wäldern, Robbenbabys oder dem Ozean jeweils auf jeder Seite das Ampelsymbol tragen müssen. Die Vertragsunterlagen ebenfalls. Vergleichbar wäre das mit der Tabakwerbung und den Aufdrucken auf Tabakverpackungen.

Zuständig dafür dürfte nur eine einzige Behörde sein, egal ob das Anlageprodukt von einer Bank, einem Fonds oder vom Bäcker um die Ecke emittiert wird! Diese Behörde müsste außerdem die Einhaltung der Aufklärungspflichten überprüfen und im Falle von Nichtbeachtung sanktionieren dürfen. Auch eine Beweislastumkehr für Kapitalanlagen wäre hilfreich, was im Falle von echten Klarverträgen auch keine Benachteiligung für die emittierenden Unternehmen wäre.

Derartige einfache, für alle verständliche und verbindliche Regeln würden neben einem transparenten Finanzplatz außerdem dafür sorgen, dass Unternehmer und Gründer leichten Zugang zu Kapital bekämen und nicht über die teuren und oft intransparenten Akteure der etablierten Finanzbranche gehen müssten.

Bei aller Regulierung dürfen wir nicht vergessen, dass immer die, die am stärksten reguliert waren auch diejenigen waren, die die Finanzkrisen der Vergangenheit ausgelöst haben. Nicht Unternehmen wie PROKON oder die S&K sind diejenigen, die für den Großteil der durch Zockerei und Gier zerstörten Existenzen und kaputten Familien verantwortlich sind und vermutlich für den ein oder anderen Selbstmord gesorgt haben, sondern die, die von einer weiteren Regulierung profitieren würden, da sie als systemrelevant gelten.

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