Über den schützenswerten Kleinanleger

Immer wieder ist in den Medien die Rede vom Anlegerschutz. Insbesondere der sogenannte Kleinanleger spielt dabei eine entscheidende Rolle. Er ist das Top-Schutzobjekt des wilden Regulierungsmobs und scheint für die Kapitalanlageprodukte der Finanzbranche von besonderem Interesse zu sein. Doch wer ist dieser dubiose Kleinanleger überhaupt? Was charakterisiert ihn und welche Anforderungen stellt er an Kapitalanlageprodukte? Warum ist er anscheinend besonders schutzbedürftig und wichtig?

Tut man das, was der durchschnittlich gebildete und aufgeklärte Mensch heutzutage tut, dann „googelt“ man den Begriff Kleinanleger. Eines der obersten Suchergebnisse ist dann der Eintrag Anleger (Finanzmarkt) auf Wikipedia (URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Anleger_%28Finanzmarkt%29, abgerufen am 23.02.2014 um 21:03 Uhr). Diesem kann man dann entnehmen, dass Kleinanleger auch Retailanleger, Privatanleger oder freie Investoren genannt werden. Es handele sich dabei um „normale“ Einzelpersonen, die häufig nicht über erweitertes Finanzwissen verfügen und deshalb auch besonders zu schützen seien. Eine Quelle für diese Darstellung wird nicht angegeben. Die Informationen sind also wenig hilfreich und aussagekräftig.

Etwas konkreter wird da das Fachjournal Finanzen, welches auf der Internetseite http://www.fachjournal-finanzen.de/thema/kleinanleger (abgerufen am 23.02.2014 um 21:25 Uhr) u.a. schreibt, dass Kleinanleger nur kleine Firmenanteile kaufen. Ein Großteil aller Teilnehmer der Börse sind der Quelle zufolge Kleinanleger. Außerdem schätze man, dass Kleinanleger bei Investitionen bis zu 50.000 Euro investieren. Angeblich werde das Anlagevermögen der Kleinanleger nicht selbst, sondern von der Hausbank verwaltet. Ein Großteil des Vermögens landet dabei in den meisten Fällen in Aktienfonds, da Sie für die Kleinanleger zwar nicht die größten Gewinne versprechen, aber ein im Verhältnis geringes Risiko sind. Auch in diesem Fall werden keine Quellenangaben aufgeführt.

Zieht man das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) (http://www.gesetze-im-internet.de/kagb/, abgerufen am 25.02.2014 um 21:45 Uhr) heran, wird die Definition dann nochmals konkreter. Darin wird zwischen Privatanlegern, semiprofessionellen und professionelle Anlegern unterschieden. Der Privatanleger dürfte also dem entsprechen, was man als Kleinanleger versteht. Als Privatanleger gilt jeder Anleger, der nicht semiprofessioneller oder professioneller Anleger ist. Die kleinste Stufe oberhalb des Privatanlegers ist der semiprofessionelle Investor. Seine Zulassungsschranken stellen demnach die obere Grenze des Privatanlegers dar. Bei semiprofessionellen Anlegern werden drei Zulassungskriterien genannt. Das schwächste ist, dass man mindestens 200.000 Euro in einem Investment investiert, eine gewisse Sachkunde nachweist und diverse Erklärungen darüber schriftlich abgibt. Ein starkes Zulassungskriterium, welches keine Sachkunde erfordert ist, dass man mindestens 10 Mio. Euro in eine Anlage investiert. Einen Kleinanleger kennt das Gesetz übrigens nicht!

Stark vereinfacht kann man also zusammenfassen, dass alle als Privatanleger (=Kleinanleger) gelten, die einzelne Kapitalanlagen mit weniger als 200.000 Euro tätigen. Für den durchschnittlichen Angestellten dürfte dieser Betrag alles andere als klein sein. Selbst ein Betrag von 50.000 Euro, der vom Fachjournal Finanzen (vgl. oben) aufgeführt wird, dürfte für den durchschnittlichen Angestellten hoch und ebenfalls alles andere als Klein sein.

Wenn man sich jetzt die Frage stellt, was diese Privatanleger auszeichnet, so muss man eigentlich stark unterscheiden. Handelt es sich um Personen mit niedrigen bis mittleren Einkommen oder um Personen, die ein überdurchschnittliches Einkommen erzielen.

Geringverdiener, die regelmäßig sparen und einzelnen Kapitalanlagen von maximal 10.000 Euro tätigen, dürften sehr stark an einer möglichst sicheren Anlage interessiert sein, da sie lange für den Anlagebetrag sparen mussten. Der Betrag von 10.000 Euro ist für sie keinesfalls klein. Der Verlust stellt einen enormen wirtschaftlichen und persönlichen Schaden dar und kann existenzgefährdend sein.

Personen mit kleinen bis mittleren Einkommen, die größere Geldbeträge erben oder nach längerer Laufzeit die private Altersvorsorge ausgezahlt bekommen, stellen eine schwierig einzuordnende Personengruppe dar. Stehen einer Person, die zeitlebens nur über wenig Geld verfügte, nun größere Geldbeträge zur Verfügung, so muss man davon ausgehen, dass viele von Ihnen an den Umgang mit einer größeren Menge Geld nicht gewöhnt sind. Eine mögliche Konsequenz könnte Leichtsinnigkeit im Umgang damit sein oder aber eine besondere Anfälligkeit für Betrüger. Handelt es sich um Kapital, welches zwingend für die Altersvorsorge gedacht ist (bspw. die geerbte Immobilie oder die fällige Lebensversicherung), dann stellt der Verlust des eingesetzten Kapitals, selbst wenn es nur zu einem Teil der Fall ist, eine existenzielle Bedrohung dar.

Anleger mit mittleren bis hohen Einkommen dürften Beträge von bis zu 50.000 Euro investieren. Dieser Personenkreis verfügt über eine solide finanzielle Ausstattung und kann auch Verluste in dieser Größenordnung verkraften, ohne damit die eigene Existenz zu gefährden. Als besonders schützenswert muss man diesen Personenkreis nicht einstufen. Üblicherweise dürften, abgesehen von einigen Ausnahmen, Personen mit einem hohen Einkommen auch über ein entsprechendes Finanzwissen verfügen.

Es zeigt sich doch recht deutlich, dass der Begriff Kleinanleger, wie er in der öffentlichen Diskussion meist verwendet wird, nicht ansatzweise so undifferenziert zu verwenden ist. Auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber Personen als Privatanleger bezeichnet, die in einzelnen Investments weit mehr als 100.000 Euro anlegen, dürfte für den Großteil der Bevölkerung unverständlich sein. Personen, die nur über kleine Einkommen und ein geringes Finanzwissen verfügen, stellen hingegen eine Personengruppe dar, die in der Tat als Kleinanleger zu bezeichnen ist. Diese Personengruppe sollte in der Tat auch als besonders schutzbedürftig eingestuft werden. Anleger, die ohne Erbschaften oder Lotteriegewinne aus ihrem regulären Einkommen regelmäßig Investitionen über 50.000 Euro tätigen können, dürften in Anbetracht der heutigen Informationsmöglichkeiten durchaus in der Lage sein, sich über ihre Anlage im Vorfeld ausreichend über Risiken und Nebenwirkungen informieren zu können. Eine besondere Schutzbedürftigkeit, die der Gesetzgeber hier unterstellt, ist eigentlich nicht mehr gegeben.

Empfehlenswert wäre es, wenn man die Anlegerkategorien nicht in Privatanleger (sozusagen das, was man als Kleinanleger bezeichnet), semiprofessionelle und professionelle Anleger einzuteilen, sondern das tatsächliche Fachwissen der jeweiligen Investoren dazu heranzuziehen würde. Wir erlauben ja auch Menschen ohne Schulabschluss das Führen von unverhältnismäßig teuren Kraftfahrzeugen. Etwas mehr Selbstbestimmung anstelle des um sich greifenden Regulierungswahns darf es ruhig sein in Deutschland!

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  1. […] Interesse zu sein. Wer genau dieser Kleinanleger (oder auch Privatanleger) ist, kann im Artikel Über den schützenswerten Kleinanleger nachgelesen […]

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